Rathaus Neubau gescheitert! Unsere Position

Der Stadtverband der FDP Sehnde nimmt Stellung zum vorläufigen Scheitern des Rathaus-Neubaus in Verbindung mit dem geplanten Flächentausch mit EDEKA.
Die Stadt Sehnde hat ein massives Haushaltsproblem. Während die Verschuldung im Jahr 2018 noch bei rund 12 Millionen Euro lag, sehen teilweise Vorschläge der Verwaltung eine Verschuldung bis 2028 auf über 160 Millionen Euro vor. Die Kommunalaufsicht hat hier bereits eine Sparauflage verhängt.
Vor diesem Hintergrund ist es unsere Pflicht, verantwortungsvoll mit den begrenzten Mitteln und den Steuern der Bürgerinnen und Bürger umzugehen. Ein Rathausneubau für über 50 Millionen Euro, egal ob als Bau- oder als Mietmodell, ist in dieser Situation schlicht nicht zu vertreten. Jeder Euro, der hier „zu viel“ ausgegeben wird, fehlt an anderer Stelle, zum Beispiel bei Schulen, Kitas, Straßen oder in der Vereinsförderung.
Das Scheitern liegt eindeutig bei der Stadtverwaltung.
Ein Projekt dieser Dimension muss von Beginn an mit allen relevanten Partnern gemeinsam bis ins kleinste Detail entwickelt werden. Stattdessen hat man sich auf Einzelgespräche und Aussagen verlassen, anstatt beispielsweise jeden Akteur, wie z.B. die EDEKA Minden-Hannover direkt selbst einzubeziehen, die letztlich ja nur als Zwischenmieter auftritt.
Es wurden Planungen für einen Interimsmarkt entwickelt, Flächentausch-Szenarien vorbereitet und erhebliche Verwaltungsressourcen gebunden, ohne dass die grundlegenden Fragen von Kosten, Flächenbedarf und Machbarkeit solide geklärt waren. Dieses Vorgehen war von vornherein zum Scheitern verurteilt und hat am Ende Zeit, Geld und Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger gekostet.
Wir müssen uns außerdem bewusst machen: Jede Stunde, die die Verwaltung in diese gescheiterte Planung investiert hat, ist durch die Steuerzahler finanziert. Und es sind viele Stunden. Diese Art der Ressourcenverschwendung hätte durch bessere Kommunikation, durch rechtzeitiges Zusammenführen aller Beteiligten und durch eine realistische Kostenprüfung verhindert werden können.
Für uns als FDP ist klar: Das Scheitern des Rathausprojekts bedeutet nicht automatisch das Scheitern des gesamten Projektes „Neue Mitte“. Die Sehnder Innenstadt aufzuwerten und attraktiver zu machen, ist ein wichtiges Ziel. Aber wir sagen ebenso klar: Dies darf nicht um jeden Preis geschehen und nicht mit Projekten, die finanziell völlig aus dem Ruder laufen. Und eines ist selbstverständlich, es darf nicht über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger geschehen.
Das geplante Fahrradparkhaus am Bahnhof ist ein Beispiel: Auch wenn ein großer Teil durch Bundesmittel getragen wird, sind es am Ende Steuergelder, die eingesetzt werden. Man darf nicht den Eindruck erwecken, dass „geschenktes Geld“ einfach so ausgegeben werden kann. Auch Fördermittel müssen sinnvoll verwendet werden.
Ein weiteres Beispiel ist der geplante Kreisverkehr im Zuge der „Neue Mitte“ im Bereich der B65/B443. Schon unter Bürgermeister Lehrke haben wir als FDP angeregt, hier rechtzeitig Gespräche mit dem zuständigen Verkehrsministerium zu führen. Auf unsere Nachfrage, ob diese Gespräche jemals stattgefunden haben, erhielten wir keinerlei Antwort. Wenn grundlegende Fragen der Genehmigung nicht frühzeitig geklärt werden, laufen wir Gefahr, dass auch dieses Teilprojekt scheitert und wieder viel Geld und Zeit verloren gehen.
Für uns gilt daher: Die „Neue Mitte“ darf nicht ideologisch durchgedrückt werden, sondern muss solide geplant, finanziell tragbar und im Dialog mit den Bürgern entwickelt werden.
Ein Neubau des Rathauses ist notwendig, hieran besteht kein Zweifel. Das bestehende Gebäude ist in die Jahre gekommen, baulich und technisch nicht mehr auf dem Stand, den eine moderne Verwaltung braucht. Aber: Die von der Verwaltung vorgelegten Pläne waren von Anfang an völlig überdimensioniert und kostenmäßig unrealistisch.
Die nackten Zahlen belegen das:
- Gesamtkosten: Letzte Schätzungen beliefen sich auf über 50 Millionen Euro. Selbst als Mietmodell hätte dies die Stadt langfristig finanziell erdrückt. Angesichts eines geplanten Schuldenstands von über 160 Millionen Euro bis 2028 ist das nicht verantwortbar.
- Nutzfläche: Vorgesehen waren 4.358 m². Bei den genannten Kosten entspricht das mindestens 11.500 Euro pro Quadratmeter – ein völlig utopischer Wert. Zum Vergleich: Neubauten im Wohnungsbau, komplett mit Haustechnik und bezugsfertig, kosten etwa 3.200–3.500 Euro pro Quadratmeter. Dass ein Rathaus das Dreifache kosten soll, ist selbst unter Berücksichtigung der Ausstattung, nicht nachvollziehbar.
- Büroflächen: Für die rund 160 Mitarbeiter der Verwaltung wurden 2.600 m² Bürofläche eingeplant. Das ergibt 16 m² pro Arbeitsplatz, alleine das liegt deutlich über dem Durchschnitt. Rechnet man Flure und Verkehrsflächen hinzu, wächst der Flächenbedarf noch weiter.
- Tatsächliche Nutzung: In modernen Verwaltungen wird nur mit einer 70-prozentigen Arbeitsplatznutzung gerechnet, weil Mitarbeiter durch Urlaub, Krankheit oder Homeoffice nicht gleichzeitig anwesend sind. Auf Basis der vorliegenden Pläne wären es faktisch 23,2 m² pro Mitarbeiter gewesen, was ein überproportional hoher Wert darstellt.
- Kosten pro Arbeitsplatz: Bei den vorliegenden Kostenschätzungen entspricht dies 266.800 Euro pro Arbeitsplatz. Das ist in unseren Augen absurd und zeigt, wie weit die Pläne von der Realität entfernt waren.
Hinzu kommt, dass die künftige Digitalisierung und Automatisierung viele Verwaltungsleistungen ohnehin verändern wird. Zahlreiche Leistungen wie die Kfz-Zulassung oder die Beantragung von Personalausweisen werden künftig zentralisiert und digital erledigt werden können. Der tatsächliche Personal- und Flächenbedarf wird daher eher sinken als steigen. Ein Rathaus-Neubau darf diesen Wandel nicht ignorieren. Zu berücksichtigen ist auch, dass einige Mitarbeitende zurzeit von der Region gefördert werden. Hierfür wird ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt, jedoch fallen diese Arbeitsplätze nach Auslaufen der Förderungen weg.
Wir als FDP Sehnde setzen auf einen pragmatischen, realistischen und finanziell tragbaren Ansatz, der den tatsächlichen Bedarf der Verwaltung, die Situation der Bürgerinnen und Bürger und die dramatische Verschuldung der Stadt berücksichtigt.
- Erhalt bestehender Strukturen:
Das Bürgerbüro, der Ratssaal, die Polizeidienststelle und das EVS-Gebäude sind alle noch in gutem Zustand und erfüllen ihre Funktion. Diese Gebäude sollten erhalten und ggf. modernisiert werden, statt sie wie bisher geplant vollständig zu ersetzen. Besonders das Bürgerbüro ist die zentrale Anlaufstelle für die Sehnderinnen und Sehnder und muss daher an der Stelle bleiben. Auch moderne Digitalisierungskonzepte können hier integriert werden, sodass die Abläufe effizienter und bürgerfreundlicher werden, ohne die gesamte Verwaltung an einen zentralen Neubau binden zu müssen. - Gezielter Abriss des maroden Altbestands:
Der veraltete Hauptteil des Rathauses sollte abgetragen werden. Sollte das Bürgerbüro davon betroffen sein, schlagen wir vor, es an derselben Stelle als modernes, zentrales Servicezentrum neu zu errichten. Hier könnten auch andere stark frequentierte Fachbereiche, wie das Standesamt, integriert werden, sodass Bürgerinnen und Bürger alle relevanten Services an einem Ort erledigen können. Auf diese Weise bleibt die Innenstadtfunktion erhalten, ohne dass enorme Summen in einen überdimensionierten Neubau fließen. - Neubau der Verwaltung an anderer Stelle:
Die übrigen Verwaltungsbereiche, die kaum Bürgerkontakt haben, müssen nicht zwingend in der Ortsmitte bleiben. Auf einer freien, planierten Fläche am Stadtrand, beispielsweise am Ortsausgang Richtung Lehrte, lässt sich ein modernes Verwaltungsgebäude deutlich günstiger und effizienter errichten. Zwar müssen dafür Grundstücke erworben und ein Bebauungsplan erstellt werden, aber dies ist aus unserer Sicht deutlich kostengünstiger als ein Neubau mitten in der Innenstadt, bei dem man obendrein einen bestimmten Investor ausgeliefert ist. Ein solcher Standort bietet außerdem Vorteile: einfacher Bauablauf, geringere Infrastrukturkosten, ausreichend Parkplätze und flexible Erweiterungsmöglichkeiten für die Zukunft. - Kostengerechte Planung:
Neubauten für Verwaltungen müssen sich an realistischen Baukosten orientieren. Selbst bei modernster IT und Möblierung ist es nicht nachvollziehbar, dass ein Quadratmeterpreis das Dreifache eines Wohngebäudes erreicht. Zum Vergleich: Ein Quadratmeter Wohnfläche inklusive Haustechnik kostet ca. 3.200–3.500 €, während die bisherigen Rathausplanungen bei 11.500 € je Quadratmeter lagen – das ist schlicht utopisch. Mit einem Neubau an einem geeigneten Randstandort könnten die Kosten erheblich gesenkt werden, ohne dass Qualität und Funktionalität leiden. - Integration in die Neue Mitte:
Für die Innenstadt muss klar sein: Das Bürgerbüro und Fachbereiche mit hohem Publikumsverkehr, wie Standesamt oder bestimmte Bürgerservices, sollten zentral bleiben, um die Attraktivität der „Neuen Mitte“ zu sichern. Gleichzeitig können Verwaltungsteile mit wenig Bürgerkontakt ausgelagert werden. So entsteht eine günstige, funktionale Lösung, die sowohl den Bürgern als auch der städtischen Haushaltslage gerecht wird. Diese Trennung ermöglicht es, die Innenstadt zu beleben, während die Verwaltung effizienter und zukunftsorientiert organisiert wird und das unter Berücksichtigung von Digitalisierung, Homeoffice und flexibler Arbeitsplatznutzung.
Das Scheitern des Rathausprojektes ist kein Weltuntergang, sondern eine Chance. Es zeigt, dass Sehnde sich keinen überdimensionierten Verwaltungsbau für 50 Millionen Euro leisten kann und darf.
Gerade angesichts der dramatisch steigenden Schulden von prognostizierten 160 Millionen Euro bis 2028 muss jeder Euro dreimal umgedreht werden. Eine solide Finanzpolitik, bezahlbare Lösungen und eine enge Einbindung der Bürgerinnen und Bürger sind das Gebot der Stunde.
Wir wollen eine attraktive Neue Mitte, ein modernes Rathaus und eine gesunde Finanzpolitik, das aber alles mit Augenmaß. Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger müssen im Mittelpunkt stehen, nicht Prestigeprojekte.
V.i.S.d.P.: FDP Ratsfraktion Sehnde